Reflexion


„Das Richtige wollen“ – reicht das ?


WAS BEDEUTET REFLEXION?

Reflexion ist nicht Selbstzweck. Sie dient dazu, bei einer ersten Idee innezuhalten – bei spontanen Entscheidungen nachträglich – und zu hinterfragen, ob die Idee/ Entscheidung fachliche begründbar ist/ war und ein Kindesrecht verletzt. wird/ wurde. Es geht also darum, sich an einer fachlichen und einer rechtlichen objektivierenden „Messlatte“  zu orientieren. Es geht nicht darum, eine Idee/ Entscheidung lediglich auf der subjektiven Ebene zu überdenken. Die Reflexion verfolgt das Ziel, die subjektive Entscheidungsebene zu verlassen und sich objektivierend zu fragen, ob fachliche Begründbarkeit und rechtliche Zulässigkeit vorliegen. Das heißt: es mit einem Kind/ Jugendlichen „gut meinen“ und ausschließlich entsprechend der eigenen pädagogischen Haltung und  Kindeswohl- Interpretation zu entscheiden, darf nicht ausreichen. Dies kann bei PädagogInnen dazu führen, dass „der Zweck die Mittel heiligt“, bei mittelbar verantwortlichen Behörden (Jugend-/ Landesjugendamt, Schulaufsicht) zur Gefahr beliebigen Entscheidens oder gar Willkür. Pädagogische Professionalität erfordert, dass eine zunächst „für richtig“ erachtete Überlegung fachlich- rechtlich reflektiert wird. Hierzu Papst Franziskus I.: „Ich misstraue immer der ersten Sache, die zu tun mir in den Sinn kommt“.

Reflexion in grenzensetzender Erziehung (Abgrenzung zu Machtmissbrauch) in 3 Stufen:

  1. Die pädagogische Haltung = subjektive Ebene → halte ich mein Handeln für vertretbar?
  2. Fachliche Legitimität = objektivierende Ebene → selbst wenn ich so nicht handeln würde, wäre dies dennoch ein geeigneter Weg, ein päd.Ziel im Rahmen von „Eigenverantwortlichkeit“ bzw. „Gemeinschaftsfähigkeit“ zu verfolgen? Nur im Falle solcher fachlichen Legitimität verhalte ich mich fachlich plausibel = begründbar.
  3. Rechtliche Zulässigkeit = objektivierende Ebene → sofern ich fachlich legitim handle, muss die Zustimmung Sorgeberechtigter vorliegen → sofern ich fachlich illegitim handle, verhalte ich mich dennoch rechtmäßig, wenn ich auf akute Eigen- oder Fremdgefährdung des jungen Menschen geeignet und verhältnismäßig reagiere.

Beispiel „Geschlossene Unterbringung/ Wegschließen in einem Zimmer: 1.Ebene: „ich bin dagegen“. 2.Ebene: Freiheitsentzug ist ungeeignet, ein pädagogisches Ziel zu verfolgen, etwa durch Beruhigung. 3.Ebene: Freiheitsentzug ist zwar päd.nicht begründbar/ fachlich illegitim, im rechtlichen Bezug kann er aber bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung des jungen Menschen rechtmäßig sein (mit richterlicher Genehmigung/ § 1631b BGB). Die Frage bleibt, ob und wie in diesem rechtlichen Rahmen ein pädagogisches Konzept greifen kann.

Begründung dreistufiger Reflexion: in der Erziehung kann Handeln ohne fachliche Legitimität nicht rechtmäßig sein. Ebenso wenig ist fachliche Legitimität ohne pädagog. Haltung denkbar. Die 3 Stufen sind daher wesentlicher Bestandteil jeder Selbst- und Teamreflexion. Das Ergebnis lautet: meine/ unsere Entscheidung ist fachlich legitim und rechtlich zulässig. Ich/ wir haben nicht ausschließlich die eigene pädagog. Haltung zugrunde gelegt, sondern anhand objektivierender Kriterien fachlicher Legitimität und rechtlicher Zulässigkeit entschieden. Nur diese dreistufige Reflexion führt i.S. des „Kindeswohls“ zu nachvollziehbarem Entscheiden: ohne ausschließliche Subjektivität und Beliebigkeitsgefahr. Sie ist ohne Handlungsleitsätze nur schwer möglich.

Paradigma Reflexion   Perspektivwechsel in päd. Praxis